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... Minderheit, ebenso wie im gesamten Bundesstaat: In dem südindischen Bundesstaat Tami Nadu insgesamt leben etwa 795.000 Adivasi - 1,1% der Bevölkerung von Tamil Nadu (laut Census of India 2011 etwa 72 Millionen). Etwa 22.000 Adivasi leben heute in den Nilgiri-Bergen. Zum Vergleich: allein die Bevölkerung in der Kleinstadt Gudalur zählt ca. 50.000 Menschen - mit ca. 4% Adivasi. Die Nilgiri-Berge im südindischen Bundesstaat erstrecken sich auch auf die benachbarten Bundesstaaten Kerala und Karnataka und ebenso das traditionelle Siedlungsgebiet der Adivasi: Viele Mullakurumba leben auch auf der Seite von Kerala, viele Paniya auch in angrenzenden Gebieten in Karnataka.

Migration in die Nilgiri-Berge:

Der Begriff Adivasi meint wörtlich „Ureinwohner“ oder „erste Siedler“ und das sind die Adivasi auch in den Nilgiri-Bergen. Aber über Jahrhunderte sind Menschen von außerhalb der Nilgiri-Berge in diese Bergregion migriert: Die Chettys zogen in den vergangenen Jahrhunderten Stück für Stück in die Wynaad-Region im Westen der Nilgiris und nahmen das Land dort in Besitz. Obwohl sie in Nachbarschaft mit den Wäldern lebten, waren sie nie direkt abhängig vom Wald für ihr Leben und Überleben. Die Mehrheit der Chettys war traditionell im Reisanbau in den Ebenen und Tälern beschäftigt. - Die Badagas sind eine Volksgruppe, von der angenommen wird, dass sie vor etwa 300 Jahren aus Mysore kommend in die Nilgiri-Region zogen. Ihre Hauptbeschäftigung ist Landwirtschaft. Mit größerer Bildung und Welterfahrung verlassen viele der jüngeren Generation der Badagas die Landwirtschaft. - Die Chettans gehören zu denen, welche erst in der jüngeren Vergangenheit vor allem auf der Suche nach Ackerland in die Nilgiri-Berge gezogen sind. Ein Großteil des Landes, das sie besiedelten, war in der Hand der Adivasi. Da Adivasi kein Konzept von Landeigentum haben, war es leicht für die Chettans, sich das Land der Adivasi anzueignen. Kulturell haben die Chettans keine Tradition, welche eine Beziehung zum Wald beschreibt. Die lokale Forstverwaltung macht die Chettans für einen Großteil der stattfindenden Wilderei verantwortlich.

Mit der Etablierung von Teeplantagen und anderen Monokulturen (z.B. von Eukalyptus-Plantagen) und auf der Suche nach landwirtschaftlich nutzbarem Land oder nach Bauland in klimatisch angenehmer Lage zieht es bis heute immer mehr Menschen in die Nilgiris-Berge und die Kleinstädte wachsen. Zudem zieht es immer mehr indische und auch ausländische Touristen in die Bergregion, so dass immer mehr Hotels und Resorts entstehen.


Adivasi und der Wald:

Fast alle Adivasi in den Nilgiri-Bergen leben in Dörfern. Viele von ihnen leben in enger Nachbarschaft mit der übrigen Bevölkerung - in gemischten Dörfern zwischen Feldern, Plantagen und Wald. Andere Adivasi, v.a. die Kattunaicken, leben in abgelegenen Dörfern und kleinen Weilern am oder im Wald. Die Kattunaicken sind für ihr Alltagsleben und ihren Lebensunterhalt besondern abhängig vom Sammeln von Waldprodukten wie z.B. Honig.

Doch traditionell haben alle Adivasi der Nilgiri-Berge hinsichtlich ihrer Lebensweise, ihrer Religion und ihrer Identität eine enge Verbindung zum Wald. Über Generationen lebten sie als Jäger, Sammler und Halbnomaden. Das Sammeln von Waldprodukten - Bambus, Feuerholz, Wurzeln, Kräuter, Früchte und Honig - war für Generationen von Adivasi bestimmend für den Lebensunterhalt und Lebensalltag. Auch wenn die wirtschaftliche Abhängigkeit von gesammelten Waldprodukten gesunken ist, sind es immer noch die Adivasi in den Nilgiri-Bergen, welche Honig jagen und andere Waldprodukte sammeln. Und so ist eine enge Beziehung zu Natur und Wald heute immer noch prägend für Glaube und Identität vieler Adivasi.


Glauben der Adivasi:

Die Adivasi in den südindischen Nilgiri-Bergen gehören verschiedenen Völkern an, die jeweils eigene Sprachen und Kleidervorschriften haben, eigenen Traditionen und Riten folgen. Sie folgen ihren überlieferten Glaubensvorstellungen. Anders als andere Adivasi vor allem im Nordosten Indiens haben sie nicht den christlichen Glauben angenommen und sehen die in Indien aktive christliche Missionierung kritisch. Im Glauben der Adivasi ist die spirituelle Beziehung zur Natur wesentlich: die Natur ist beseelt, die Geister (spirits) der Natur müssen geachtet werden. Gebetszeremonien werden in Adivasi-Tempeln, an heiligen Hainen in der Natur sowie im Freien bei Zeremonien und Festen durchgeführt. Elemente der Gebetszeremonie (Puja) bei den Adivasi ähneln dabei denen der hinduistischen Puja. So zünden Adivasi während der Puja Öllampen an, bringen Blumen, Kokosnüsse oder Bananen dar. Auch tierische Opfer gibt es sowohl bei Adivasi als auch für manche  traditionelle hinduistische Dorfgottheit, wenngleich die Tieropfer in Indien untersagt sind. In manchem Adivasi-Haus werden auch hinduistische Götter verehrt. Doch der Glaube der Adivasi an belebte Geister der Natur und ihre tiefe spirituelle Beziehung zur Natur sind bei den Adivasi in den Nilgiri-Bergen lebendig.

Was die Adivasi Janaki, Omana und Velan über ihren traditionellen Glauben sagen, lesen Sie hier...


Das Leben der Adivasi heute:

Mit der Etablierung von Monokultur-Plantagen und mit dem Zuzug von immer mehr Migranten auf der Suche nach landwirtschaftlich nutzbarem Land hat sich das Leben der Adivasi in den Nilgiri-Bergen verändert. Die Adivasi heute arbeiten vor allem als Feldarbeiter/innen oder teilweise auch als Lohnarbeiter/innen auf Plantagen und Baustellen. Einige bauen Tee an, Kaffee oder Obstbäume. Doch aufgrund der schlechten Bewirtschaftung ihres Landes durch fehlende Geldmittel haben sie nur geringe Einkommen von ihren Landstücken. Einige der Kattunaicken-Adivasi arbeiten auch für die Forstverwaltung. Die Bettakurumba-Adivasi arbeiten zum Beispiel als Mahauts (Elefantentrainer), bei der Forstverwaltung als Wächter oder als Führer für Forscher und Touristen.

Junge Adivasi heute haben eine wesentlich bessere Bildung als ihre Eltern und erst recht als ihre Großeltern, die gar nicht oder nur kurz zur Schule gingen. Adivasi heute verdienen auch auf vielfache Weise Geld im Gegensatz zu ihrer Großeltern-Generation, die, wenn überhaupt, als Tagelöhner nur sehr wenig Geld einnahmen. Adivasi in den Nilgiri-Bergen sind auch nicht von großangelegten Vertreibungen betroffen gewesen. Wenn auch viele ihr Land ohne Besitzurkunde an Zugezogene verloren haben und sich in den 1980er Jahren die Armut der Adivasi dramatisch verschärfte, so konnten doch auch etliche über ihr Generationen ihr Land behalten und dank der Landrechtsbewegung des Adivasi-Netzwerks AMS sogar Besitzurkunden erkämpfen und bis heute Land zurück gewinnen.

Dennoch, trotz aller Veränderungen in der Lebensumwelt, trotz aller Verbesserungen in den Lebensumständen: Allgemein ist die wirtschaftliche Situation der Adivasi in den Nilgiri-Bergen schlecht, vor allem im Vergleich zur übrigen Bevölkerung. Sie haben einen mangelnden Zugang zum Wald für ein Leben von Waldprodukten, obwohl sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für Adivasi und traditionell vom Wald lebende Gemeinschaften verbessert haben. Der Forest Rights Act erlaubt ihnen erst seit wenigen Jahren nach einer langen Kampagne von Menschenrechts-Organisationen, was ihnen über Jahrzehnte verwehrt war und sie kriminalisierte: die Nutzung von Waldprodukten. Adivasi dürfen heute Feuerholz, Früchte oder Honig in den Wäldern sammeln. Lediglich die Jagd und das Fällen von Bäumen sind ihnen verwehrt. Doch die tatsächliche Durchsetzung der Land- und Waldrechte für Familien und Dorfgemeinschaften, ist, auch mit der Hilfe des Adivasi-Netzwerks AMS, schwierig und langwierig und nicht immer erfolgreich. Und ohnehin leben viele Adivasi nicht in Walddörfern und reicht ein Leben von Waldprodukten nicht aus.

Neben einem Zugang zum Wald fehlt es den Adivasi aber an Landbesitz, an Kapital, an höheren Bildungsabschlüssen und an guten Englisch-Kenntnissen für  gleichberechtigte Chancen und Wahlmöglichkeiten für eine selbstbestimmte Zukunft.