Adivasi-Netzwerk AMS - unser Partner
mit Gemüsegärten gegen Mangelernährung
Foto: Adivasi ernteten Bohnen (AMS)
Als der bekannte indische Umweltschützer Madhav Gadgil eine Waldsiedlung von Adivasi in den Nilgiris-Bergen besuchte, entdeckte er einen kleinen Garten mit einer erstaunlichen Vielfalt an wilden Gemüsen und Knollen und war sehr beeindruckt. Warum er all die Pflanzen gepflanzt habe, fragte er den Adivasi. "Warum? Weil ich sie brauche", antwortete der.
An diese alte Tradition knüpft die Selbsthilfe der Adivasi an, denn Mangelernährung ist bei ihnen weit verbreitet. Bereits über 1.000 Adivasi-Familien bauen in den "Gärten der Gesundheit" erfolgreich Gemüse an.
Foto: Gemüsepflanzen vor einem Adivasi-Haus in den Nilgiri-Bergen (ATP)
Ursachen für Mangelernährung unter Adivasi
Über Generationen ernährten sich die Adivasi in den südindischen Nilgiris-Bergen von dem, was ihnen der Wald gab: vor allem von Früchten, wildem Gemüse und Knollen, von Fisch, Krabben und kleinem Wild sowie von den Körnern, die sie hin und wieder anbauten. Doch diese Ernährung reichte nicht mehr aus, als der Wald selbst sich veränderte, Pflanzen verschwanden und die Adivasi immer weniger Zugang zum Wald hatten. Viele der in Schuldknechtschaft lebenden Adivasi, wie die Paniya, waren auch in ihrer Ernährung abhängig, verbreitete Mangelernährung war die Folge. Bis heute ist die Jagd ist verboten, bis vor wenigen Jahren stand auch das Sammeln von Waldprodukten unter Strafe. Von der Mangelernährung waren Babies, Kinder und Erwachsene gleichermaßen betroffen. Die Müttersterblichkeit und die Anfälligkeit für Tuberkulose waren infolgedessen hoch bei den Adivasi. Bei den Großeltern und Eltern der heute jungen Erwachsenen war auch Hunger verbreitet: Viele Adivasi legten sich hungrig schlafen oder aßen die einzige Mahlzeit des Tages zur Nacht.
Hunger ist heute unter den Adivasi kein Problem mehr, aber Mangelernährung ist weiterhin sehr verbreitet. Waldprodukte können für viele Adivasi keine Nahrungsergänzung sein, wenn ihre Häuser nicht direkt am Wald stehen oder sie traditionelles Wissen verloren haben. Mit geringer Bildung verdienen die Adivasi zu wenig für eine gesunde Ernährung. Zwar profitieren arme Familien von subventioniertem Öl, Mehl, Zucker und Reis, aber Gemüse und Milchprodukte sind teuer. Die Adivasi haben auch nicht genug Geld für Tierhaltung oder Gemüseanbau und wissen zu wenig über gesunde Ernährung.
Ausmaß der Mangelernährung unter Adivasi in der Gudalur-Region
Dass die Adivasi in den Nilgiris-Bergen besonders unterernährt sind, bestätigte das Adivasi-Krankenhaus in Gudalur mit einer Studie: Untergewichtig waren 17% der Nicht-Adivasi, aber 46% der Adivasi - von diesen waren 28% extrem untergewichtig. Untergewicht kann zu einem schwachen Immunsystem führen, zu lebensbedrohlichen Situationen bei Infektionen, zu Osteoporose (Knochenschwund) selbst bei jungen Menschen, zum Ausbleiben der Menstruation bei Frauen, zu Schwangerschafts-Komplikationen oder zu Störungen in der Entwicklung von Kindern.
Armut und mangelnde Bildung sind Hauptfaktoren für Unterernährung, auch dies zeigte die Studie des Adivasi-Krankenhauses: Von den Adivasi, die beim Adivasi-Krankenhaus oder bei der Adivasi-Organisation ACCORD vor Ort angestellt waren, waren nur 15% untergewichtig (gegenüber 46% der anderen untersuchten Adivasi) - davon war niemand extrem untergewichtig. Die angestellten Adivasi konnten sich genügend und gutes Essen leisten. Außerdem wussten sie über gesunde Ernährung bescheid und gaben ihr Geld weniger für Alkohol und Zigaretten aus. Die Studie empfahl, Adivasi-Familien über gesunde Ernährung zu informieren und sie beim Anbau von Gemüse und Nahrungsmitteln zu beraten. Genau dies wird mit den Gemüsegärten seit etwa 2016 umgesetzt.
Foto: Adivasi informieren sich bei einem Treffen zur Idee der Gemüsegärten (AMS)
Die Idee: "Aroghya Krishi" (Gärten der Gesundheit)
Ziel war und ist, das traditionelle Wissen zur Ernährung wiederzubeleben und den Adivasi in den Dörfern eine gesunde Ernährung zu ermöglichen, über die sie selbst bestimmen können. Das gelingt mit Gemüsegärten, welche die Betreffenden wirklich wollen, in denen lokal angepasste und traditionelle Sorten angebaut werden und mit deren Hilfe Samen für die nächste Anbausaison herangezogen und getauscht werden können.
Den Anfang machten Treffen für alle Dörfer über die Notwendigkeit gesunder Ernährung und die Idee der Gemüsegärten. Diese Treffen wurden organisiert von den AMS-Teammitgliedern - selbst Adivasi aus der Region.
Damit wurde die erste Hürde des Projekts genommen: die Akzeptanz unter den Adivasi. Es ist etwas Ungewohntes für die Adivasi heute, zur Verbesserung der eigenen Ernährung gezielt Gemüse anzubauen; das wurde vielerorts aufgegeben und wird nur noch hier und da praktiziert. Solange die Familien und Dorfbewohner*innen aber nicht über die Zutaten einer ausgewogenen Ernährung bescheid wissen, die Bedeutung der Ernährung für ihre Gesundheit nicht verstehen und die gesunden Bestandteile bestimmter Gemüse und Nahrungsmittel nicht schätzen, wird für sie ein mit einem Teller Reis gefüllter Magen ausreichend sein. Deshalb ist die Arbeit der Teams im Adivasi-Netzwerk AMS so wichtig, zu informieren, zu beraten, zu begleiten.
Foto: Adivasi verteilen Gemüsesamen (ATP)
Auswahl regionaler Gemüsesorten
Dann wurde in allen Adivasi-Dörfern dokumentiert, welche Gemüsesorten angebaut bzw. konsumiert werden. Die AMS-Teams entschieden gemeinsam, welche Gemüsesamen besorgt werden sollten. Ausgewählt wurden zunächst 16 Gemüsesorten, welche traditionell in der Region angebaut wurden, im folgenden Jahr kamen weitere hinzu. Eingekauft wurden die Samen bei der als Samenbank tätigen Frauen-Kooperative "Vanastree" im südindischen Karnataka, beim "Vegetable and Fruit Promotion Council Keralam" und bei der "Fruit-Vegetable Marketing Cooperative Society" in der angrenzenden Wayanad-Region im Bundesstaat Kerala. Die Samen wurden zu Päckchen verpackt und an die interessierten Familien verteilt, die auch Beratung beim Anbau erhielten. Da die Familien einige Samen für die Aussaat im kommenden Jahr heranziehen, können die Samenpäckchen des AMS wiederum weiteren Adivasi-Familien eine Starthilfe geben. Zunächst 16 Adivasi-Dörfer sollen zeigen, dass und wie eine gesunde Ernährung möglich ist.
Über 1.000 Adivasi-Familien bauen bereits im eigenen Garten Gemüse an: Amaranthus, Gurken (Bitter Gourd, Snake Gourd, Ash Gourd, grüne Gurke), Kürbis, Okra-Schoten, Chili, Auberginen, Drumstick, drei verschiedene Bohnen-Arten, roter und grüner Spinat und weitere Gemüse. Die Teams des Adivasi-Netzwerks AMS arbeiten mit den Familien in den Dörfern beständig daran, die bestehenden Gemüsegärten zu erhalten und neue für weitere Adivasi-Familien aufzubauen. Dabei soll künftig der Anbau essbarer Wurzeln und Knollen stärker in den Fokus rücken.
Das Adivasi-Netzwerk AMS legt einen gemeinschaftlichen Gemüsegarten in der Nähe von Gudalur an. (AMS)
Die Herausforderung, Mangelernährung unter den Adivasi der Gudalur-Region zu bekämpfen, bleibt bestehen. Unser Adivasi-Tee-Projekt unterstützte in Kooperation mit dem "Adventskalender 24 gute Taten" den Aufbau der ersten Gemüsegärten der Adivasi 2015-2016 mit ca. 7.600 Euro. Mit einer Spende zugunsten "Adivasi" unterstützen Sie mit uns die Arbeit im Adivasi-Netzwerk AMS.